Die Indian Summer Tour steht dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Programm und ist als Zweitages-Tour geplant. Neben dem Fahrspaß wollen wir auch einfach mal die Zeit mit unserer Gemeinschaft genießen.

Am 31. August 2024 um 8:00 Uhr morgens versammeln sich unsere 15 Mitglieder voller Vorfreude in Dagmersellen. Die Stimmung ist großartig, das Wetter spielt mit und der gewöhnliche mittelmäßige Tankstellenkaffee kann die gute Laune nicht trüben. Nach einer herzlichen Begrüßung und morgendlichen Gesprächen gibt unser Road Captain Roman das Briefing und um Punkt 8:30 Uhr brechen wir in Richtung Süden auf. Die Strasse wartet!

Geordnet und gepackt spuren wir auf die Autobahn Richtung Süden ein. Wer mich nach meiner Leidenschaft für das Harley-Fahren fragt, erhält stets die gleiche Antwort: Auf der Maschine fühle ich mich zuhause. Der Fahrtwind im Gesicht, das unvergleichliche Dröhnen des Milwaukee 8 unter mir und das Vibrieren des Bikes – ein unvergleichliches Gefühl von Freiheit, das ich nur hier erleben kann.

Die wechselnde Landschaft zieht schnell vorbei und bald türmen sich die Vorboten der Schweizer Alpen in schattierten Blautönen vor uns auf. Zügig erreichen wir Wassen, wo wir auf die alte Gotthardstrasse wechseln. Eine gute halbe Stunden verbringen wir im Ausfahrts-Stau auf der Standspur und lassen uns die gute Laune nicht verderben.

In stark gemässigtem Tempo folgen wir den Mäandern der Passstrasse hinauf nach Andermatt und schliesslich zum zum Sankt-Gotthard Hospiz. Der übliche Verkehr mit Wohnmobilen und Postautos zwingt uns zur langsamen Fahrt, sodass wir immer wieder Zeit finden, einen Blick auf die herrliche Landschaft zu geniessen. Wie immer ist der Ort fast schon überlaufen und knapp finden wir Parkplätze am Lago della Piazza.

In der geschäftigen Gegenwart rufe ich mir an solchen Orten gerne die Geschichte in Erinnerung, denn zu oft vergessen wir unseren Ursprung. Das Sankt-Gotthard Hospiz ist ein Ort voller Geschichte und Tradition. Das Hospiz wurde im 13. Jahrhundert von den Augustinermönchen gegründet, mit dem Ziel, Reisenden und Pilgern einen sicheren Unterschlupf auf ihrer oft beschwerlichen Reise über den Pass zu bieten. Welch beeindruckende Leistung, denke ich, sich in dieser Einöde niederzulassen, auch wenn das Bauwerk ursprünglich natürlich kleiner und sehr viel weniger imposant war als heute. Über Jahrhunderte hinweg hat es seine Türen für Wanderer, Händler und Abenteurer geöffnet, und ist so zu einem Symbol für Gastfreundschaft und Gemeinschaft geworden. Heute beherbergt das Hospiz ein Museum und lädt Besucher ein, in die reiche Vergangenheit des Gotthardpasses einzutauchen und die faszinierenden Geschichten der Menschen zu entdecken, die hier gelebt und gewirkt haben.

Nach einer kurzen Pause geht es die Südflanke hinab ins Tessin. Da wir im Wassener Stau bereits viel Zeit verloren haben, nehmen wir wieder die Autobahn und erreichen zur Mittagszeit den morgendlichen Kaffeestopp im Ristorante La Conca. Deren Wirte nehmen unsere Verspätung sichtlich gelassen und servieren Kaffee, Gipfeli und Kuchen.

Weiter geht es weitestgehend auf der Autobahn und über den Monte Ceneri nach Lugano. Im Daytona Diner, direkt neben Harley Davidson Ticino. Mittlerweile ist es zwei Uhr Nachmittags und übermässig warm. Alle haben Hunger und sind natürlich durstig. Bei leckeren Burgern und kühlen Getränken entspannen wir uns und geniessen den Schatten.

Der letzte Abschnitt der heutigen Route führt uns auf engen und kurvigen Strassen durch Rancate und Meride hinauf zum Hotel Serpiano. Das Hotel thront westlichen des Monte San Gorgio über dem Lago die Lugano. Die Aussicht beim üppigen Abendessen ist traumhaft. Am gegenüberliegenden Ufer schmiegt sich Morcote ans Seeufer, das durchaus auch einen Besuch wert ist. Hinter den sanft geschwungenen Hügelketten des Alpe Vicania oberhalb Morcotes und des italienischen Monte Piambello ruhen in weiter Ferne die blauen Gipfel der Alpen.

Unsere kulinarischen Bedürfnisse werden, wie ich denke, zu aller Zufriedenheit gestillt. Eine umfangreichen Auswahl von lokalem Speck, Trockenfleisch, Salami und Käsespezialitäten eröffnet das Mahl, gefolgt von Steak und preisgekröntem Risotto. Natürlich darf auch eine Auswahl an Desserts nicht fehlen. So lassen wir den Abend ausklingen.

Der Sonntagmorgen verwöhnt uns erneut mit traumhaftem Wetter, Kaffee und Frühstücksbuffet. Weil wir ja schon lange nichts mehr gegessen haben. Wir geniessen nochmals die herrliche Aussicht und versammeln uns zum traditionellen Familienfoto. Um viertel vor neun, mit einiger Verspätung, starten wir in den neuen Tag.

Die Strecke führt uns zunächst nach Arzo, wo wir die Grenze nach Italien überqueren. In Porto Ceresio erreichen wir den südlichen Teil des Lago di Lugano, dessen geschwungene Uferstrasse wir bis Ponte Tresa folgen. Die mediterrane Vegetation sticht ins Auge, wo sich neben Eichen, Buchen und Ahorn die mittlerweile als invasive Art bekannte Tessinerpalme, Bananen und Bromelien heimisch fühlen.

Gemütlich erreichen wir durch die Tessiner Dörfer unseren ersten Kaffeestopp im Grotto Serta, wo wir herzlich begrüsst und mit Kaffee und Gipfeli verwöhnt werden.

Dann geht es hinauf zum zweiten Highlight der Tour, dem Lukmanierpass. Wunderbar zu fahrende Kurven mitten im Konvoi zu geniessen, das ist Chaptergefühl. Auf der Passhöhe erwartet uns der angekündigte Spaghettiplausch mit Pasta und Saucen im Überfluss. Nach dem Essen zieht es mich auch hier in die Natur als Kontrastprogramm. Zwischen grünen Hügeln und dem kleinen See, dem Lai de Sontga Maria, geniesse ich die Stille.

Den Nachmittag starten wir mit der Fahrt hinunter nach Disentis/Muster. Anschliessend erreichen wir über den Oberalppass wieder Andermatt. Nach Norden geht es, zwar im Verkehr aber diesmal in angenehmen Tempo hinunter nach Wassen, wo wir auf der Autobahn einspuren.

Vor Altdorf holt uns die Realität des Verkehrschaos ein wo uns Bituminis Calidus, der Gott des heissen Asphalts, einen zünftigen Stau beschert. Im stehenden Verkehr und Mittagshitze fühlen wir uns schnell wie in der Sauna und der morgendliche Kaffee ist schnell ausgeschwitzt. Trotz der wirklich herausfordernden Situation bleiben alle ruhig und diszipliniert. Nach gefühlten drei Stunden Stop-and-Go erreichen wir unseren Tankstopp, wo wir auch unser Flüssigkeitsdefizit ausgleichen und uns abkühlen. Auch als unser Halt etwas länger dauert, da die Hitze extrem zu schaffen macht, bleibt die Stimmung ausgeglichen.

Die letzte Etappe leitet den Konvoi über die Axenstrasse nach Brunnen. Dort schliessen wir uns der Seestrasse entlang des Vierwaldstättersees an bis Weggis an. Die schattenspendenden Bäume entlang der Hangseite sind überaus willkommen.

Unter den heraufziehenden dunkelgrauen Sommergewitterwolken erreichen wir Perlen, wo wir auf dieser Fahrt zum letzten Mal die Motoren verklingen lassen. In der “La Perla” lassen wir gemeinsam bei kühlen Getränken die Tour ausklingen.

Trotz einiger Herausforderungen war es eine tolle Tour. Eine schöne Strecke, angenehme Pausen- und Übernachtungsorte, und natürlich das einmalige Gefühl auf der Harley im Konvoi auf der Strasse zu sein.

Danke an alle die dabei waren und dafür gesorgt haben, dass auch dieser Ride ein tolles Erlebnis war. Danke auch dafür, dass in den unangenehmen Situationen alle Ordnung, Disziplin und gute Laune bewahrt haben. Spezieller Dank geht an Road Captain Roman, der zu jederzeit den Überblick behalten hat, für die Planung und ausgezeichnete Führung. Der spezielle Dank geht natürlich auch an Safety Stefano, der unserem Freund Vladi helfend zur Seite stand, als dieser von einem wilden Tier angegriffen wurde. Yasmine, danke Dir dass Du auch mit einem Handy tolle Fotos gemacht hast.

Ihr seid toll!

Bericht: Marc Kilian
Fotos: Yasmine Styger